Wenn eine Vietnamesin einen Áo Dài trägt, verwandelt sie sich in eine Göttin. Kein anderes Gewand vermag es, ihr eine derartig elegante Ausstrahlung zu verleihen und sie dabei gleichzeitig züchtig und verführerisch aussehen zu lassen wie das traditionelle vietnamesische Seidengewand. Sie ist sich dessen sehr wohl bewusst und unterstreicht ihre Wirkung noch mit äußerst graziösen Bewegungen. Jeder Besucher Vietnams wird von diesem Anblick entzückt sein.
Das lange Seidenkleid
Übersetzt bedeutet Áo Dài „langes Kleid“. Im Norden von Vietnam wird es Ao Sai und im Süden des Landes Ao Jai ausgesprochen. Das luftige Seidengewand besteht zum einen aus einem Seidenkleid, welches bis zu den Knöcheln oder den Knien reicht und an beiden Seiten taillenhoch geschlitzt ist und zum anderen aus einer langen weit geschnittenen Seidenhose, die den Boden berührt. Seidenhose und Seidenkleid schließen meistens an den Seiten nicht bündig ab, sodass der Blick auf ein paar Zentimeter nackte Haut entlang der Taille freigegeben wird.
Der vergessene und wiederentdeckte Áo Dài
Der moderne Áo Dài wurde in den 1930er Jahren vom Maler Cát Tường entwickelt, der seine Gedanken dazu in der Ausgabe des Phong Hoa Magazins in der Ausgabe vom 23. Februar 1934 in Hanoi dargelegt hatte:
“Try to pay attention and see what is inconvenient and nescessary in your dress (ao dai) today. To save you from the wasting your time, let me tell you: The collar is unnecessary and the sleeves are inconvenient. The collar button is never used, so what the collar is for? For covering the neck? But it is too small to cover anything. Even women’s dresses in cold places in Europe and America do not need the collars, let alone those in the country where the climate is very warm. And about the two sleeves, you should bend your arms to fix your hair. Are they not too tight? …Are they not too uncomfortable?”
Während anfangs nur Frauen, die mit Franzosen verheiratet waren, den Áo Dài trugen, sah man das Kleidungsstück Ende der 1930er Jahre auch an den meisten Frauen aus der Stadt. Bevorzugte Stoffe waren damals französische Seide in den Farben Dunkelrot und Violett und bunt gefärbte indische Stoffe. Mit dem Krieg war die Zeit der hübschen Seidengewänder vorbei, nur noch zu formalen Anlässen wurde der Áo Dài angezogen. Nach dem Krieg schickte es sich nicht, sich im neu gegründeten Arbeiterstaat hübsch anzuziehen. Der Áo Dài erfuhr damals Geringschätzung als überflüssiger und bourgeoiser Luxus, der körperliche Arbeit nicht zuließ. Erst in den 1980er Jahren wurde er wieder populär, nachdem 1982 eine Kandidatin bei einem Schönheitswettbewerb das Seidengewand getragen und gewonnen hatte.
Áo Dài als Schuluniform
Seinen Siegeszug konnte der Áo Dài auch als Schuluniform antreten. Schülerinnen im ganzen Land tragen ihn als weiße Variante. Unverheiratete junge Frauen wählen weiche Pastellfarben mit unaffälligem Muster, die nach der Hochzeit in stärkere Farben übergehen. Auch Frauen in repräsentativen Positionen wählen ausdruckstarke Farben. Die beliebtesten Kombinationen sind: rot-gold, blau-schwarz oder gleiche Farbe – andere Helligkeit. Ältere Damen sieht man häufig in dunklen Farben. Zu Hochzeiten tragen Bräute oft rote Áo Dài mit reichlich goldenen Verzierung in Kombination mit dem traditionellen ringförmigen Kopfschmuck. Bei allen Varianten können Stoffe bunt bedruckt, bemalt oder aufwendig bestickt sein. Auch andere Materialien wie Samt werden häufig eingearbeitet. Für die passgenaue Anfertigung gehen die Vietnamesinnen zu dem Schneider ihres Vertrauens, der sowohl das Kleid als auch die Hose so anfertigt, dass sie später noch um einige Zentimeter in der Weite angepasst werden können.
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